Elektroinstallation in historischen Gebäuden: Sicherheit und Erhalt

Elektroinstallation in historischen Gebäuden: Sicherheit und Erhalt
Bauen und Renovieren Lynn Roberts 16 Nov 2025 1 Kommentare

Warum Elektroinstallationen in historischen Gebäuden so kompliziert sind

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein altes Haus aus dem 19. Jahrhundert gekauft. Die Holztreppen knarren, die Fensterläden flattern im Wind, und die Wände tragen noch die Spuren von damaligen Wandmalereien. Alles atmet Geschichte. Doch dann stellen Sie fest: Die Steckdosen funktionieren nur, wenn Sie den Sicherungskasten im Keller öffnen. Und die Kabel sind nicht aus Kupfer, sondern aus Aluminium - und umwickelt mit Stoff. Das ist kein Relikt aus einer alten Filmkomödie, sondern Realität in über 400.000 denkmalgeschützten Gebäuden in Deutschland. Die Elektroinstallation in solchen Häusern ist kein normales Upgrade. Es ist eine Balanceakte zwischen moderner Sicherheit und historischer Authentizität. Und wenn Sie das falsch angehen, kann es teuer, gefährlich oder beides werden.

Die Gefahr liegt im Kabel - nicht in der Wand

Die größte Bedrohung in historischen Gebäuden kommt nicht von alten Ziegelwänden oder feuchten Kellern. Sie kommt von den Kabeln. Viele dieser Häuser wurden gebaut, als der Stromverbrauch pro Haushalt bei 500 Watt lag. Heute brauchen wir durchschnittlich 5.000 Watt - für Kühlschränke, Laptops, Waschmaschinen, LED-Lichter und Smart-Home-Systeme. Die alten Aluminiumleitungen, die in den 1950er und 60er Jahren verbaut wurden, werden bei Temperaturen ab 60°C brüchig. Das ist nicht nur ein Risiko für Kurzschlüsse. Es ist ein Brandrisiko, das 37% höher liegt als bei modernen Kupferleitungen. Die VdS hat das in Studien nachgewiesen. Und das ist kein theoretisches Szenario. In 18% der Brände in historischen Gebäuden sind Nagetiere schuld - sie knabbern durch die alten Isolierungen, weil sie nicht in Schutzrohren verlegt sind. Die Folge: Funken, Überhitzung, Feuer. Und das alles in einem Haus, das oft keine modernen Fluchtwegsysteme hat.

Was die Gesetze wirklich verlangen

Es gibt keine Ausnahme für alte Häuser, wenn es um Sicherheit geht. Die VDE 0105-100:2015-10 schreibt vor: Jede elektrische Anlage muss alle vier Jahre geprüft werden. Das gilt auch für denkmalgeschützte Gebäude. Aber hier kommt der Knackpunkt: Die Prüfung ist nicht nur eine Formalität. Sie entscheidet, ob Sie weiterhin Strom haben - oder ob das Landesdenkmalamt Ihnen die Nutzung untersagt. In Bayern dürfen maximal 30% der historischen Oberflächen für Kabelkanäle oder Steckdosen genutzt werden, in Nordrhein-Westfalen nur 20%. Das bedeutet: Sie können nicht einfach Löcher bohren, wo es Ihnen passt. Und wenn Sie mehr als 60% der Elektroinstallation erneuern, müssen Sie die gesamte Anlage auf den aktuellen Stand bringen. Das ist kein Wunsch, das ist Gesetz. Und wer das ignoriert, riskiert nicht nur einen Brand, sondern auch hohe Bußgelder und die Aberkennung der Denkmaleigenschaft.

Ein Elektriker verlegt unsichtbare Kabel in einer historischen Wand, ohne die Originaloberflächen zu beschädigen.

Die Lösungen: Unsichtbar, aber sicher

Wie macht man das? Wie bringt man moderne Sicherheit in ein Haus, das keine neuen Wände haben darf? Die Antwort lautet: reversibel und unsichtbar. Fachbetriebe nutzen heute Hohlwandkanäle, die in bestehenden Zwischenräumen zwischen Wand und Putz verlegt werden - ohne einen einzigen Bohrloch in originalen Zierleisten oder Fresken. Andere setzen auf Schutzrohre aus feuerfestem Material, die Nagetiere abhalten und gleichzeitig die Kabel vor mechanischer Beschädigung schützen. Steckdosen und Schalter werden nicht einfach aus dem Baumarkt genommen. Sie sind speziell nachgebildet: Optisch wie aus dem Jahr 1890, aber intern mit moderner Sicherheitstechnik. Ein Beispiel: OBO bietet Brandschutzkanäle an, die im Brandfall nicht durchbrennen und Fluchtwege frei halten. Das ist kein Luxus, das ist Pflicht in vielen Bundesländern. Und Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) sind heute Standard - sie schalten innerhalb von Millisekunden ab, wenn ein Leckstrom entsteht. Das rettet Leben. Und das funktioniert, selbst wenn die Wände aus Backstein sind und keine Erdung haben.

Kosten: Warum es doppelt so teuer ist

Ein neues Haus? 50 bis 70 Euro pro Quadratmeter für die Elektroinstallation. Ein historisches Gebäude? 80 bis 120 Euro pro Quadratmeter. Warum? Weil es nicht um Kabel und Steckdosen geht. Es geht um Zeit. Um Planung. Um Genehmigungen. Um Handwerker, die nicht nur Elektriker sind, sondern auch Historiker. Sie müssen wissen, wie man alte Putzschichten schont, wie man Kabel in Holzbalken führt, ohne sie zu beschädigen, und wie man Dokumentationen erstellt, die das Denkmalamt akzeptiert. Eine durchschnittliche Sanierung einer 120 m²-Wohnung dauert 8 bis 10 Wochen - doppelt so lange wie in einem Neubau. Und das ist nur der Anfang. Wenn Sie Fördermittel wollen, brauchen Sie detaillierte Fotos vor und nach der Sanierung. 92% der erfolgreichen Anträge bei der KfW enthalten diese. Ohne sie: kein Zuschuss. Und der Zuschuss ist entscheidend: Bis zu 20% der Kosten werden erstattet - das macht den Unterschied. Aber es gibt keine Pauschale. Jedes Haus ist anders. Jede Wand hat ihre Geschichte. Und jede Sanierung braucht einen individuellen Plan.

Eine geheimnisvolle Szene mit moderner Sicherheitstechnik, die in alte Gebäude integriert wird, im psychedelischen Posterstil.

Die falschen Wege - und was Sie vermeiden müssen

Es gibt viele Handwerker, die behaupten, sie könnten „historische Elektroinstallationen“ machen. Aber nicht alle können das. Ein Nutzer im Denkmalpflege-Forum berichtet, wie er nach einer „günstigen“ Sanierung durch einen Nicht-Fachmann die gesamte Anlage erneut austauschen musste - und 12.000 Euro mehr bezahlte. Warum? Weil die Kabel in der Wand verlegt wurden, statt in Hohlkanälen. Weil keine RCDs installiert wurden. Weil die Dokumentation fehlte. Das Ergebnis: Das Denkmalamt hat die Sanierung nicht anerkannt. Und der Versicherer weigerte sich, bei einem Brand zu zahlen. Die Lehre: Nur Fachbetriebe mit Meisterbrief und Erfahrung im Denkmalschutz. Keine „Alles-geht“-Angebote. Und immer: Vorher mit dem Landesdenkmalamt sprechen. Nicht danach. Die meisten Probleme entstehen, weil Eigentümer erst nach der Sanierung die Genehmigung einholen wollen. Das funktioniert nicht. Es ist wie ein Bauantrag nach dem Hausbau - es gibt keine Rückgängigmachung.

Die Zukunft: Mehr Sicherheit, mehr Förderung

Die Zeiten ändern sich. Ab 2025 wird die Prüffrist für elektrische Anlagen von fünf auf drei Jahre verkürzt. Das heißt: Sie müssen öfter prüfen lassen. Aber es gibt auch positive Entwicklungen. Das Bundesministerium für Wohnen hat die Fördermittel für denkmalpflegerische Sanierungen von 200 auf 250 Millionen Euro erhöht. Und das KfW-Programm 275 wird weiter ausgebaut. Außerdem wird die VDE 0100 im März 2024 aktualisiert - und zum ersten Mal gibt es einen speziellen Teil für historische Gebäude. Bisher war das ein großer Kritikpunkt: Die Normen waren für Neubauten gemacht. Jetzt wird das geändert. Und die Digitalisierung kommt auch in alte Häuser: Smart-Home-Systeme, die mit geringem Stromverbrauch arbeiten, können jetzt problemlos integriert werden - ohne neue Leitungen. Die Technik passt sich an. Die Gesetze passen sich an. Und die Handwerker? Sie lernen dazu. Die Branche wächst jährlich um 4,2%. In Städten wie Dresden oder Quedlinburg sind schon 38% der historischen Gebäude saniert. In ländlichen Regionen nur 12%. Der Unterschied? Die Menschen wissen, was möglich ist. Und sie wagen es, es richtig zu machen.

Was Sie jetzt tun sollten

Wenn Sie ein historisches Haus haben, und die Elektroinstallation noch aus den 70er Jahren stammt: Tun Sie nichts. Nicht spontan. Nicht mit dem Nachbarn, der „was weiß“ über Strom. Holen Sie sich drei Angebote von spezialisierten Elektrofirmen. Fragen Sie nach ihren Erfahrungen mit Denkmalschutzprojekten. Fordern Sie Referenzen an. Und prüfen Sie, ob sie mit dem Landesdenkmalamt zusammenarbeiten. Machen Sie eine detaillierte Dokumentation: Fotos von allen Kabeln, Steckdosen, Schaltern. Machen Sie sich klar: Sie bauen nicht nur um. Sie bewahren etwas. Und das ist wertvoller als jeder neue Kühlschrank. Die Sanierung ist teuer. Aber die Alternative - ein Brand, eine Strafe, ein verlorener Erbe - ist noch teurer.

Darf ich in einem denkmalgeschützten Haus einfach neue Steckdosen einbauen?

Nein, nicht einfach. In denkmalgeschützten Gebäuden dürfen Sie nur in ausgewiesenen Bereichen neue Steckdosen oder Schalter anbringen - und das nur, wenn es technisch notwendig ist. Die meisten Landesdenkmalämter erlauben maximal 20-30% der historischen Oberflächen für neue Anschlüsse. Sie müssen vorher eine Genehmigung einholen und nachweisen, dass die neue Installation reversibel ist - also ohne dauerhafte Beschädigung der Substanz. Die Steckdosen müssen optisch historisch wirken, aber technisch modern sein.

Kann ich alte Aluminiumleitungen einfach mit Kupfer überbrücken?

Nein. Eine Teil-Überbrückung ist nicht erlaubt und gefährlich. Aluminiumleitungen veralten unterschiedlich schnell, und wenn sie mit Kupfer verbunden werden, entsteht ein galvanischer Effekt, der Korrosion und Überhitzung fördert. Die einzige sichere Lösung ist die vollständige Erneuerung der Leitungen - entweder in Hohlwandkanälen oder über Schutzrohre, die die historische Bausubstanz nicht beschädigen. Teilweises Ersetzen ist kein Kompromiss - es ist ein Risiko.

Wie viel kostet eine Elektro-Sanierung in einem historischen Haus?

Die Kosten liegen zwischen 80 und 120 Euro pro Quadratmeter, je nach Zustand des Gebäudes und Aufwand der Sanierung. Für eine 120 m²-Wohnung sind das 9.600 bis 14.400 Euro. Das ist doppelt so viel wie in einem Neubau. Der Grund: Mehr Planung, längere Bauzeit, spezielle Materialien und die Notwendigkeit, mit dem Denkmalamt zu koordinieren. Aber bis zu 20% der Kosten können über das KfW-Programm 275 erstattet werden - vorausgesetzt, Sie dokumentieren alles genau.

Wie lange dauert eine Elektro-Sanierung in einem alten Haus?

Eine komplette Sanierung einer 120 m²-Wohnung dauert durchschnittlich 8 bis 10 Wochen. Das ist doppelt so lange wie bei einem Neubau. Der Grund: Jeder Schritt muss geplant, genehmigt und dokumentiert werden. Vor der Arbeit kommen mindestens drei Vor-Ort-Besichtigungen mit dem Denkmalamt. Dann folgt die Planung, die Genehmigung, die Beschaffung spezieller Materialien und erst dann die Installation. Die Bauzeit selbst ist oft kürzer - aber die Vorbereitung nimmt viel Zeit in Anspruch.

Welche Fördermittel gibt es für die Elektro-Sanierung in historischen Gebäuden?

Das wichtigste Förderprogramm ist das KfW-Programm 275 „Energieeffizient Sanieren - Investitionszuschuss“. Es erstattet bis zu 20% der Sanierungskosten, wenn die Maßnahme den Energieeffizienz- und Sicherheitsstandards entspricht. Zusätzlich können einige Bundesländer oder Kommunen eigene Zuschüsse anbieten - besonders für denkmalgeschützte Gebäude. Wichtig: Sie müssen die Sanierung vorab beantragen und detaillierte Fotos vor und nach der Arbeit einreichen. Ohne Dokumentation gibt es kein Geld.

Kommentare

  • Kieran Bates

    Kieran Bates November 16, 2025

    Ich hab vor zwei Jahren mein altes Bauernhaus saniert. Die Elektrik war ein Albtraum - Aluminiumkabel aus den 60ern, Stoffisolation, kein RCD. Hab drei Experten angefragt. Nur einer wusste, wie man Hohlwandkanäle in alten Putzschichten verlegt, ohne die Fresken zu beschädigen. Heute funktioniert alles, und das Denkmalamt hat unterschrieben. Es ist teuer, aber es lohnt sich. Man bewahrt was bleibt.

    Und nein, kein Nachbar mit einem Multimeter und einem YouTube-Tutorial.

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