Stell dir vor, du wäschst deine Wäsche, spülst die Toilette und gießt deinen Garten - ohne ein einziges Liter Trinkwasser zu verbrauchen. Klingt wie Science-Fiction? In Deutschland ist das schon seit Jahren Realität. Mit einer Regenwassernutzung im Haus kannst du bis zu 50 Prozent deines Trinkwassers einsparen. Aber wie funktioniert das genau? Und warum ist die Trennung von Regen- und Abwasser so wichtig?
Wie du Regenwasser im Haus nutzt
Regenwasser ist kein Abfall. Es ist ein kostbarer Rohstoff, der von deinem Dach fließt - und meistens einfach in die Kanalisation verschwindet. Dabei kann es perfekt für Aufgaben genutzt werden, die kein Trinkwasser brauchen: WC-Spülung, Waschmaschine, Gartenbewässerung, Reinigung von Terrassen oder Autos. Alles, was nicht mit dem Mund in Kontakt kommt, lässt sich mit gesammeltem Regenwasser erledigen.
Ein typisches System besteht aus vier Hauptteilen: einem Regenwasserspeicher (meist eine Zisterne), einer Sammel- und Vorfilteranlage, einer Pumpe und einem separaten Leitungsnetz im Haus. Das Wasser wird vom Dach über Fallrohre in einen Vorfiltre geleitet, der Blätter, Staub und Grobschmutz abhält. Danach fließt es in den Tank, meist aus Kunststoff oder Beton, mit einer Kapazität zwischen 3.000 und 10.000 Litern. Ein Pumpenaggregat sorgt dafür, dass das Wasser mit genug Druck - mindestens 0,5 bar - ins Haus gepumpt wird.
Wichtig: Das Regenwassersystem muss komplett vom Trinkwassernetz getrennt sein. Das ist nicht nur eine gute Idee - es ist gesetzlich vorgeschrieben. Die DIN 1989-1, die seit 2010 gilt, schreibt vor, dass Regenwasserleitungen rot markiert sein müssen. So verhindert man, dass jemand versehentlich das Regenwasser als Trinkwasser nutzt. Die Trennung ist der Schlüssel zur Sicherheit.
Warum Trennung von Regen- und Abwasser so entscheidend ist
Es gibt zwei Arten von Abwasser: Schmutzwasser und Niederschlagswasser. Schmutzwasser kommt aus Dusche, Waschbecken, Spüle und WC - es enthält Seife, Hautschuppen, Fette, Reinigungsmittel. Niederschlagswasser ist Regen, der vom Dach oder der Straße abfließt. Es ist relativ sauber - zumindest am Anfang.
Wenn du Regenwasser im Haus nutzt, willst du nicht, dass es sich mit Schmutzwasser vermischt. Deshalb ist eine gesplittete Abwasseranlage nötig: zwei getrennte Leitungen. Eine führt das Schmutzwasser zur Kläranlage, die andere das Regenwasser zum Speicher. Das hat zwei Vorteile:
- Du sparst Geld: Viele Kommunen berechnen die Abwassergebühr nach der Menge an Schmutzwasser, das deine Anlage erzeugt. Wenn du Regenwasser nutzt, fließt weniger Wasser über deine Toilette und Waschmaschine - und damit weniger Schmutzwasser. Das senkt deine Abwassergebühren.
- Du entlastest die Kanalisation: Bei Starkregen laufen viele Kanalisationen über. Wenn Regenwasser nicht in die Kanalisation, sondern in deine Zisterne fließt, wird die Stadt weniger überlastet.
Ein weiterer Vorteil: Wenn du Schmutzwasser und Regenwasser trennst, kannst du die Leitungen für das Schmutzwasser kleiner dimensionieren. Das spart Platz und Geld - besonders bei Neubauten.
Regenwasser vs. Grauwasser: Was ist der Unterschied?
Viele verwechseln Regenwasser mit Grauwasser. Das ist ein häufiger Fehler. Grauwasser ist das abgenutzte Wasser aus Dusche, Waschbecken und Waschmaschine. Es ist nicht sauber - es enthält Seife, Haare, Fette. Um es wiederzuverwenden, brauchst du eine aufwendige Aufbereitung: Filter, Bioreaktoren, UV-Strahlung. Die Systeme sind teuer, wartungsintensiv und haben hygienische Risiken.
Regenwasser dagegen ist von Anfang an sauberer. Es ist kein Abwasser - es ist frisches Niederschlagswasser. Du brauchst nur einfache Filter, um Blätter und Staub rauszuhalten. Keine Chemie, keine Biologie. Keine komplexen Techniken. Das macht Regenwassernutzung einfacher, günstiger und sicherer.
Der Nachteil? Regenwasser hängt vom Wetter ab. In trockenen Sommern ist der Tank leer. Grauwasser hingegen fließt jeden Tag - egal ob es regnet oder nicht. Aber: Grauwassersysteme sind in Deutschland selten, weil sie teuer und kompliziert sind. Regenwassersysteme sind die praktische Wahl für die meisten Hausbesitzer.
Kosten, Einsparungen und Wirtschaftlichkeit
Wie viel kostet ein Regenwassersystem? Eine komplette Anlage für ein Einfamilienhaus liegt zwischen 3.500 und 8.500 Euro. Eine Standardlösung mit 5.000-Liter-Tank, Pumpe, Filter und Steuerung kostet etwa 4.200 Euro inklusive MwSt. Das klingt viel - aber die Einsparungen kommen schnell.
Ein Haushalt mit vier Personen verbraucht durchschnittlich 120 Liter Trinkwasser pro Tag. Davon fließen 30 Liter durch die Toilette, 25 Liter in die Waschmaschine, 15 Liter für die Gartenbewässerung - also 70 Liter pro Tag, die du mit Regenwasser ersetzen kannst. Bei einem Jahresniederschlag von 800 mm und einem 80 m² großen Dach sammelst du etwa 64.000 Liter Regenwasser pro Jahr. Das reicht locker für die genannten Zwecke.
Rechnen wir mal: Wenn du 45 m³ Trinkwasser pro Jahr sparst, und der Preis bei 2,15 €/m³ liegt, sparst du 97 €. Die Abwassergebühr für diese Menge beträgt bei 2,80 €/m³ weitere 126 €. Zusammen: 223 € pro Jahr. Das bedeutet: Nach etwa 19 Jahren ist die Anlage amortisiert. Aber: Viele Systeme halten 30-40 Jahre. Und die Gebühren steigen jedes Jahr.
Wichtig: In vielen Städten gibt es zusätzliche Vorteile. Die sogenannte „gesplittete Abwassergebühr“ berechnet Regenwasser und Schmutzwasser separat. Wenn du Regenwasser nutzt, zahlst du weniger für Schmutzwasser - und du sparst doppelt.
Wann lohnt sich das?
Nicht jeder Hausbesitzer profitiert gleich stark. Die Wirtschaftlichkeit hängt von drei Faktoren ab:
- Dachfläche: Je größer das Dach, desto mehr Wasser sammelst du. Ab 70 m² wird es interessant. Bei 100 m² und mehr ist die Anlage fast immer sinnvoll.
- Niederschlag: In Norddeutschland (800-1.000 mm/Jahr) lohnt es sich besser als in trockenen Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet (600 mm/Jahr). Aber auch dort reicht es für Garten und Toilette.
- Verbrauch: Je mehr WC-Spülungen und Wäsche du machst, desto mehr Wasser verbrauchst du - und desto mehr sparst du.
Ein Einfamilienhaus in München mit 90 m² Dach und vier Bewohnern hat laut Eigenheimerverband 48 Prozent Trinkwassereinsparung erreicht - das sind 285 € pro Jahr. In einer kleinen Stadtwohnung mit 30 m² Balkon-Dach ist die Anlage sinnlos. Auch wenn du nur zwei Personen im Haushalt hast und kaum Garten hast, lohnt es sich kaum.
Installation und Wartung
Bei Neubauten ist die Installation einfach: Die Leitungen werden parallel zum Trinkwassersystem verlegt. Das kostet nur 10-15 Prozent mehr als ein normales System. Bei Sanierungen ist es schwieriger. Du musst Wände aufbrechen, um die roten Regenwasserleitungen zu verlegen. Das kann bis zu 10 Arbeitstage dauern und kostet mehr.
Die Wartung ist überschaubar: Jedes Quartal den Vorfiltre reinigen, jährlich den Tank prüfen, alle fünf Jahre eine gründliche Reinigung durchführen. Das kostet 150-250 € pro Jahr. Die Pumpen sind zuverlässig - 92 Prozent der Nutzer sind zufrieden. Aber: Ein Rohrbruch im Regenwassersystem kann teuer werden. Ein Nutzer berichtete auf einem Forum, dass ihm Reparatur und Schadensbeseitigung 1.880 € gekostet haben.
Bevor du anfängst: Melde dein Projekt beim Wasserversorger und beim Gesundheitsamt an. In vielen Kommunen musst du dich vom Anschluss- und Benutzungszwang befreien lassen. Das ist Pflicht. Sonst bekommst du keine Genehmigung.
Was kommt als Nächstes?
Die Technik wird smarter. ACO hat 2022 sein Rain4me Smart-System vorgestellt - eine App zeigt dir den Füllstand deines Tanks, deinen Verbrauch und wann du den Filter wechseln musst. Das Umweltbundesamt arbeitet an einer neuen Bewertungsmethode, die nicht nur Kosten, sondern auch Umweltwirkung, Hygiene und soziale Aspekte berücksichtigt.
Langfristig wird Regenwassernutzung wichtiger. Der Klimawandel bringt längere Trockenperioden - aber auch stärkere Regenfälle. Wer sein Wasser selbst speichert, ist unabhängiger. Und wer die Kanalisation entlastet, hilft der Stadt.
Es ist kein Wundermittel. Aber es ist eine der einfachsten und effektivsten Möglichkeiten, im Alltag Wasser zu sparen - ohne auf Komfort zu verzichten.
Kann ich Regenwasser zum Waschen von Obst und Gemüse nutzen?
Nein. Regenwasser ist kein Trinkwasser und darf nicht für Lebensmittelvorbereitung genutzt werden, auch nicht zum Spülen von Obst oder Gemüse. Es kann Schadstoffe aus dem Dach oder der Luft enthalten. Nur Trinkwasser ist dafür geeignet.
Wie groß muss mein Regenwassertank sein?
Als Faustregel: Multipliziere deine Dachfläche in Quadratmetern mit 25. Ein 100 m² großes Dach braucht mindestens 2.500 Liter Speichervolumen. Für eine vierköpfige Familie mit WC-Spülung und Gartenbewässerung empfehlen Experten 5.000 bis 7.500 Liter, um auch längere Trockenperioden zu überbrücken.
Brauche ich eine spezielle Genehmigung?
Ja. Du musst den örtlichen Wasserversorger und das Gesundheitsamt vor Baubeginn informieren. In vielen Kommunen musst du dich vom Anschluss- und Benutzungszwang befreien lassen. Ohne Genehmigung darfst du das System nicht betreiben - und du verlierst den Versicherungsschutz bei Wasserschäden.
Kann ich Regenwasser auch in einem Mehrfamilienhaus nutzen?
Ja, aber die Planung ist komplexer. Du brauchst einen zentralen Tank, der alle Wohnungen versorgt, und ein getrenntes Leitungsnetz für jede Wohnung. Die Kosten steigen, aber die Einsparungen pro Person sind oft höher. In Neubauten ist das immer häufiger Standard - besonders in ökologischen Wohnanlagen.
Was passiert, wenn der Tank leer ist?
Jedes ordnungsgemäße System hat eine automatische Trinkwassernachspeisung. Wenn der Regenwassertank leer ist, schaltet sich die Pumpe automatisch auf Trinkwasser um. Du merkst nichts - die Toilette spült weiter, die Waschmaschine läuft. Es ist ein unsichtbarer Übergang, der für Komfort und Sicherheit sorgt.