Ein Renovierungsprojekt klingt oft einfacher als es ist. Sie kaufen ein altes Haus, stellen sich vor, wie es mit neuen Fenstern, einem modernen Badezimmer und einem frischen Anstrich aussieht - und dann kommt die Realität: Die Wand hinter der Tapete ist feucht, die Träger im Dachboden sind faul, die Heizungsleitung muss komplett erneuert werden. Plötzlich ist das Budget von 80.000 Euro auf 120.000 Euro angewachsen. Und das Geld ist nicht da. Das passiert jedem, der keine Liquiditätsplanung macht. Nicht weil er unvorsichtig ist, sondern weil er die Risiken unterschätzt.
Warum Liquiditätsplanung bei Renovierungen anders ist als bei Neubauten
Bei einem Neubau wissen Sie fast genau, was kommt: 120 Quadratmeter Wohnfläche, 3 Schlafzimmer, Betonfundament, Ziegelwände, Dachziegel. Die Kosten lassen sich mit Kalkulationstabellen und Standardpreisen berechnen. Bei einer Renovierung ist das anders. Hier geht es um das, was nicht sichtbar ist. Die Elektrik aus den 70ern, die Dämmung aus den 80ern, die Fundamente aus den 30ern - all das kann plötzlich teuer werden. Laut Destatis machen Renovierungsprojekte mittlerweile 42 % des gesamten Bauvolumens in Deutschland aus. Das ist fast die Hälfte aller Bauprojekte. Und bei fast jedem zweiten Projekt treten unerwartete Kosten auf. Die meisten Bauherren planen mit einem Budget, das sie sich leisten können - aber nicht mit einem, das auch die Überraschungen abdeckt. Das ist der große Fehler.Was ist Liquiditätsplanung - und warum brauchen Sie sie?
Liquiditätsplanung bedeutet nicht, dass Sie alle Kosten aufschreiben. Sondern: Sie wissen genau, wann welches Geld wo hingeht. Wann zahlt der Handwerker? Wann kommt die Förderung? Wann müssen Sie die nächste Rate für den Kredit zahlen? Es geht nicht um die Gesamtkosten - es geht um den Zeitpunkt. Stellen Sie sich vor, Sie haben 100.000 Euro zur Verfügung. Aber 70.000 davon sind erst in drei Monaten verfügbar, weil die Bank die Förderung erst nach Abschluss der Rohbauarbeiten auszahlt. Wenn Sie jetzt aber den Fliesenleger bezahlen müssen - und das Geld nicht da ist - dann bleibt die Baustelle liegen. Und das kostet mehr als nur Zeit. Es kostet Zinsen, Verzögerungsgebühren, und vielleicht sogar einen neuen Vertrag mit dem Handwerker. Die Liquiditätsplanung ist Ihr Fahrplan, um genau das zu vermeiden. Sie zeigt: Wo steht Ihr Konto heute? Wann kommt Geld rein? Wann muss Geld raus? Und was passiert, wenn etwas schiefgeht?Die drei Säulen: Abschläge, Abschätzungen, Reserven
Jede gute Liquiditätsplanung für Renovierungen baut auf drei Säulen auf: Abschläge, Abschätzungen und Reserven. Ohne alle drei läuft das Projekt in die roten Zahlen.Abschläge: Nicht alles auf einmal, sondern in Etappen
Die HOAI - die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - regelt, wie Handwerker und Planer bezahlt werden. Es geht nicht um pauschale Zahlungen. Es geht um Leistungsphasen: Grundriss erstellen, Baugenehmigung, Rohbau, Ausbau, Fertigstellung. Jede Phase hat einen festgelegten Anteil am Gesamtbudget. Bei Renovierungen werden Abschläge meist monatlich oder nach Meilensteinen gezahlt. Das ist wichtig, weil es Ihnen hilft, den Geldfluss zu steuern. Sie zahlen nicht 50.000 Euro auf einmal an den Generalunternehmer. Sie zahlen 10.000 Euro nach der Abnahme des Rohbaus, 15.000 Euro nach dem Ausbau, 20.000 Euro nach der Fertigstellung. So vermeiden Sie, dass Ihr Konto leer ist, während die Arbeiten noch nicht mal angefangen haben. Ein Tipp: Fragen Sie immer nach dem Zahlungsplan. Und verlangen Sie, dass er schriftlich steht. Kein Handwerker sollte ohne verbindliche Abschlagspläne arbeiten.Abschätzungen: Nicht vertrauen - sondern rechnen
Die meisten Bauherren schätzen Kosten anhand von Erfahrungen oder Online-Preisen. Das ist gefährlich. Ein Fliesenleger aus Berlin sagt: „Ich habe letztes Jahr ein Haus renoviert. Die Kosten für die Sanierung der Außenwände waren auf dem Papier 18.000 Euro. In Wirklichkeit waren es 34.000 Euro - weil die alte Dämmung total verrottet war.“ Abschätzungen müssen realistisch sein. Das bedeutet: Sie gehen nicht von den günstigsten Preisen aus. Sie gehen von den durchschnittlichen Preisen aus - und addieren 10 bis 15 % Puffer. Für historische Gebäude oder Denkmalschutzobjekte sollten Sie sogar 20 bis 25 % einplanen. Warum? Weil bei alten Häusern fast immer etwas überraschendes auftaucht: versteckte Leitungen, untragbare Fundamente, Asbest, feuchte Mauerwerke. Die direkte Liquiditätsplanung - also die genaue Aufstellung aller Ein- und Auszahlungen - hat eine Vorhersagegenauigkeit von 90 bis 95 % für die nächsten drei Monate. Das ist Ihr Sicherheitsnetz. Wenn Sie nur grob schätzen, verlieren Sie die Kontrolle.Reserven: Der Notfallfonds, den Sie nie brauchen - aber brauchen
Reserven sind kein Luxus. Sie sind eine Versicherung. Und zwar eine, die Sie nicht versichern können. Die Bank zahlt nicht, wenn die Wand einstürzt. Der Versicherer zahlt nicht, wenn die alte Heizung nicht mehr funktioniert. Nur Sie können das abfedern. Die Empfehlung der Branche: Mindestens 10 % des Gesamtbudgets als Reserve. Bei Renovierungen von Altbauten: 15 bis 25 %. Ein Architekt aus Berlin berichtet: „Beim letzten Denkmalprojekt sind 150.000 Euro unerwartete Kosten entstanden. Wir hatten 20 % Reserve - und konnten das Projekt retten. Aber drei Monate lang war die Liquidität kritisch.“ Was ist kritisch? Wenn Sie kein Geld mehr haben, aber die Arbeiten noch nicht fertig sind. Dann müssen Sie einen Kredit aufnehmen - oder die Baustelle stilllegen. Beides kostet Geld. Die Reserve ist die einzige Möglichkeit, das zu verhindern.
Wie Sie die Liquiditätsplanung in 5 Schritten erstellen
Sie brauchen kein Finanzexperte zu sein. Aber Sie brauchen eine klare Struktur. Hier ist, wie Sie es machen:- Startwert ermitteln: Schauen Sie auf Ihr Konto. Wie viel Geld haben Sie heute? Alle Konten zusammen: Giro, Sparkonto, Bausparvertrag. Das ist Ihr Startpunkt.
- Zahlungsströme auflisten: Schreiben Sie alle Einnahmen auf: Fördergelder, Kredite, Eigenmittel. Dann alle Ausgaben: Handwerker, Material, Genehmigungsgebühren, Versicherungen, Möbel. Ordnen Sie sie nach Monaten.
- Reserven einbauen: Addieren Sie 15 % der Gesamtausgaben als Reserve. Legen Sie diese Summe auf ein separates Konto - und greifen Sie nur im Notfall darauf zu.
- Monatlich aktualisieren: Jeden Monat prüfen: Was ist wirklich ausgegeben worden? Was ist geplant? Wo gibt es Abweichungen? Ändern Sie den Plan. Nicht erst in drei Monaten.
- Kommunikation halten: Sprechen Sie mit Ihrem Handwerker, Ihrem Architekten, Ihrer Bank. Wenn etwas schiefgeht, sagen Sie es sofort. Kein Handwerker will eine Baustelle liegen lassen. Aber er will auch nicht auf sein Geld warten.
Tools: Excel oder spezielle Software?
Sie können es mit Excel machen. Aber es ist mühsam. Sie müssen jede Zahl manuell eintragen, Formeln überprüfen, Abweichungen suchen. Und wenn der Handwerker seine Rechnung verschiebt - dann müssen Sie alles neu berechnen. Moderne Software wie KOBOLD CONTROL oder Agicap macht das automatisch. Sie verbinden sich mit Ihren Bankkonten, erkennen Zahlungen, ordnen sie den Bauphasen zu und warnen Sie, wenn das Konto zu niedrig ist. Einige Programme integrieren sogar die HOAI-Struktur - das heißt, sie wissen, welche Phase wie viel Geld verlangt. Die Lernkurve für diese Tools liegt bei 2 bis 4 Wochen. Danach sparen Sie mehr Zeit, als Sie mit Excel verlieren. Und Sie haben eine bessere Kontrolle. Wer mit Excel arbeitet, hat oft ein Gefühl von „Ich hoffe, alles stimmt“. Wer mit Software arbeitet, hat ein Gefühl von „Ich weiß, was los ist“.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Ein Bauunternehmer aus München schreibt auf Reddit: „Die größte Herausforderung bei Renovierungen ist die ungenaue Schätzung der Abschläge. Wir haben gelernt, für jede Phase 10-15 % mehr einzuplanen als ursprünglich berechnet. Das hat unsere Liquidität stabilisiert.“ Und was passiert, wenn Sie das nicht tun? Die Bank stoppt die Finanzierung. Der Handwerker bringt seine Leute nicht mehr. Die Baustelle steht still. Sie müssen einen Kredit aufnehmen - mit höheren Zinsen. Sie verlieren Zeit, Geld und Nerven. Ein Planungsbüro aus Hamburg berichtet: „Wir hatten ein Renovierungsprojekt, bei dem die versteckten Leitungen unterschätzt wurden. Die Kostenüberschreitung lag bei 30 %. Die Bank hat die weitere Finanzierung gestoppt. Erst als wir zusätzliche Sicherheiten gestellt haben, wurde weitergezahlt.“ Das ist kein Einzelfall. Das ist Standard.Die Zukunft: KI und mehr Transparenz
Die Bauwirtschaft verändert sich. Bis 2025 sollen 50 % aller Bauprojekte Renovierungen sein. Und mit ihnen kommt mehr Komplexität: Energetische Sanierungen, digitale Baupläne, neue Materialien, strengere Vorschriften. Gartner prognostiziert, dass KI in den nächsten Jahren helfen wird, Kostenüberschreitungen vorherzusagen. Wenn Sie ein Haus aus den 50ern renovieren, kann die Software anhand von Tausenden ähnlicher Projekte berechnen: Wie wahrscheinlich ist es, dass die Dachbalken erneuert werden müssen? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für Asbest? Das ist kein Science-Fiction - das ist schon heute möglich. Die Zukunft gehört denen, die planen. Nicht denen, die hoffen.Was Sie jetzt tun sollten
Wenn Sie gerade mit einer Renovierung beginnen: Machen Sie eine Liquiditätsplanung. Heute. Nicht nächste Woche. Nicht, wenn der Handwerker kommt. Fangen Sie klein an: Schreiben Sie auf, was Sie haben. Was Sie brauchen. Was Sie bezahlen müssen. Und legen Sie 15 % beiseite - als Sicherheit. Das ist der einfachste Weg, um zu vermeiden, dass Ihr Traum zum Alptraum wird. Ein Renovierungsprojekt ist kein Wettbewerb. Es ist ein Prozess. Und der einzige Weg, ihn zu meistern, ist: Kontrolle. Klare Zahlen. Und eine Reserve, die Sie nie anrühren wollen - aber die Sie brauchen, wenn es darauf ankommt.Wie hoch sollte die Reserve für eine Renovierung sein?
Für normale Renovierungen empfehlen Experten mindestens 10 bis 15 % des Gesamtbudgets als Reserve. Bei älteren Häusern, Denkmalobjekten oder Sanierungen mit unbekannten Zuständen sollten Sie 20 bis 25 % einplanen. Diese Reserve dient nur für unvorhergesehene Kosten - wie versteckte Schäden, unerwartete Statikprobleme oder Materialpreissteigerungen. Sie sollte auf einem separaten Konto liegen und nur im Notfall genutzt werden.
Warum sind Abschläge bei Renovierungen wichtig?
Abschläge verhindern, dass Sie zu viel Geld auf einmal ausgeben. Sie zahlen nicht den Gesamtbetrag an den Handwerker, sondern in Etappen - nach Abschluss der Bauphasen wie Rohbau, Ausbau oder Fertigstellung. Das ist nicht nur fair, sondern auch finanziell sinnvoll: Sie halten Kapital frei, können andere Zahlungen decken und vermeiden, dass Ihr Konto leer ist, während die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind. Die HOAI regelt diese Zahlungsphasen und gibt klare Vorgaben, wie viel pro Phase ausgezahlt werden darf.
Kann ich die Liquiditätsplanung mit Excel machen?
Ja, Sie können es mit Excel machen - aber es ist aufwendig und fehleranfällig. Sie müssen jede Zahl manuell eingeben, Abweichungen suchen und den Plan immer wieder aktualisieren. Spezielle Software wie KOBOLD CONTROL oder Agicap verbindet sich mit Ihren Bankkonten, erkennt Zahlungen automatisch und warnt Sie, wenn die Liquidität kritisch wird. Die Lernkurve liegt bei 2-4 Wochen, danach sparen Sie mehr Zeit und haben eine viel genauere Übersicht. Für komplexe Projekte ist Software die bessere Wahl.
Was passiert, wenn ich meine Reserven nicht einplane?
Ohne Reserve laufen Sie Gefahr, dass das Projekt stillsteht, wenn unerwartete Kosten auftreten. Die Bank kann die Finanzierung stoppen, Handwerker weigern sich, weiterzuarbeiten, und Sie müssen teure Kredite aufnehmen, um die Zahlungen zu decken. Viele Bauherren erleben, dass eine kleine Überraschung - wie ein undichtes Dach oder alte Leitungen - zu einer Kostenüberschreitung von 20-30 % führt. Ohne Reserve ist das Projekt in der Krise.
Wie oft sollte ich meine Liquiditätsplanung aktualisieren?
Bei Renovierungen sollten Sie Ihre Liquiditätsplanung mindestens monatlich aktualisieren. In der Anfangsphase - besonders wenn noch viele Unsicherheiten bestehen - ist eine wöchentliche Überprüfung sinnvoll. Das gilt besonders, wenn neue Schäden entdeckt werden oder Lieferzeiten sich verschieben. Je früher Sie Abweichungen erkennen, desto schneller können Sie reagieren - und das Projekt nicht in die roten Zahlen rutschen lassen.
Kommentare
Jan Jageblad November 2, 2025
Endlich mal jemand, der das klar sagt. Ich hab letztes Jahr mein Haus aus den 80ern renoviert und dachte, 15 % Reserve sind übertrieben. Falsch gedacht. Die versteckte Dämmung war total kaputt, die Heizungsleitung musste komplett raus – und die 20 %, die ich eingepflanzt hatte, waren gerade noch ausreichend. Ohne die Reserve wär ich jetzt pleite oder müsste einen teuren Kredit aufnehmen. Wer denkt, er kann das alles abschätzen – der hat noch nie in einem Altbau geschrubbt. Einfach machen, Reserve einplanen, und nicht hoffen.
Paul O'Sullivan November 3, 2025
Was für ein Schwachsinn. 15 % Reserve? Das ist kein Plan, das ist Angstmanagement. Wer so viel Puffer braucht, sollte gar nicht renovieren – sondern in eine Neubau-WG ziehen. Die HOAI? Die ist aus den 90ern und für Massenbau gedacht, nicht für individuelle Projekte. Und Software wie KOBOLD CONTROL? Das ist nur ein teurer Algorithmus, der dir sagt, was du selbst schon weißt. Die meisten Kostenüberschreitungen kommen von schlechten Handwerkern, nicht von fehlenden Tabellen. Und nein – du brauchst keine 25 % Reserve für ein Denkmal. Du brauchst einen Architekten, der weiß, was er tut. Nicht eine Excel-Datei, die dir Angst macht.
erwin dado November 5, 2025
Paul, du hast völlig recht – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Die Realität ist: Selbst der beste Architekt kann nicht vorhersagen, ob hinter einer Wand Asbest steckt oder die Fundamente aus den 30ern bröckeln. Das ist nicht Angst, das ist Realismus. Und nein, du kannst nicht einfach sagen: „Ich vertraue auf meinen Handwerker“ – denn der hat auch nicht die Kugelkristallkarte. Ich hab selbst drei Renovierungen hinter mir, und jedes Mal hat die Reserve gerettet – einmal sogar, weil die neue Dachrinne drei Wochen später kam und die Bauarbeiten stillstanden. Excel ist mühsam, aber es reicht, wenn man konsequent ist. Software hilft, ist aber kein Ersatz für Verantwortung. Die Reserve ist kein Luxus – sie ist die einzige Versicherung, die dir niemand abnehmen kann.