Was ist Plattformökonomie im Immobilienmarkt?
Plattformökonomie im Immobilienmarkt bedeutet, dass digitale Systeme Verkäufer, Mieter, Investoren und Dienstleister direkt miteinander verbinden - ohne dass ein traditioneller Makler oder eine große Firma als Zwischenhändler fungiert. Es geht nicht um eine Webseite mit Wohnungsanzeigen, sondern um lebendige Ökosysteme, in denen Daten, Transaktionen und Dienstleistungen miteinander verknüpft werden. Ein echter Plattformansatz funktioniert wie ein Marktplatz: Je mehr Mieter sich anmelden, desto attraktiver wird er für Eigentümer. Und je mehr Eigentümer ihre Immobilien einstellen, desto mehr Mieter kommen. Das ist der Netzwerkeffekt - und er ist der Motor dieser neuen Wirtschaftsform.
Im Handel hat Amazon diesen Effekt genutzt, um fast alles zu dominieren. In der Reisebranche ist Airbnb der unangefochtene Player. Aber im Immobilienmarkt? Hier läuft es noch anders. Die Branche ist alt, komplex und stark reguliert. Viele sogenannte Plattformen sind nur digitale Versionen der alten Immobilienportale - sie listen Objekte auf, aber sie koordinieren keine Wartung, zahlen keine Mieten nicht, verwalten keine Smart-Home-Systeme und verbinden keine Investoren mit Projekten. Echte Plattformen tun das. Sie schaffen einen Mehrwert, der über die reine Vermittlung hinausgeht.
Warum gibt es noch keine klaren Gewinner?
In Deutschland gibt es über 120 digitale Immobilienplattformen - und keine einzige hat mehr als 15 Prozent Marktanteil. Das ist ungewöhnlich. In anderen Branchen hat sich nach wenigen Jahren klar abgezeichnet: Wer zuerst groß wird, wird fast alles. Im Immobilienmarkt ist das noch nicht passiert. Warum?
Einfach gesagt: Die Branche ist zu fragmentiert. Große Konzerne wie Vonovia oder Deutsche Wohnen nutzen Plattformen, aber sie haben ihre eigenen internen Systeme. Kleine Vermieter haben oft nicht die technische Ausstattung oder das Wissen, um mit modernen Tools umzugehen. Und viele Plattformen konzentrieren sich nur auf eine Seite des Marktes - entweder auf Mieter oder auf Investoren, aber nicht auf beide gleichzeitig. Das ist ein Fehler. Plattformen, die nur eine Seite bedienen, sterben langsam. Sie können keine echten Netzwerkeffekte aufbauen.
Ein Beispiel: Exporo ist der größte Anbieter für digitales Immobilien-Crowdinvesting in Deutschland. Über 255 Millionen Euro wurden 2020 über solche Plattformen investiert. Doch selbst Exporo nimmt weniger als 10 Prozent aller verfügbaren Projekte auf. Warum? Weil viele Projekte zu klein, zu lokal oder zu komplex sind, um in ein standardisiertes digitales Modell zu passen. Die Plattformen können noch nicht alle Arten von Immobilien abdecken - und deshalb bleibt der Markt breit, aber flach.
Die dritte Generation: Was wirklich zählt
Nicht jede Plattform ist eine echte Plattform. Viele sind nur digitale Anzeigenblätter. Die echten Veränderer sind die Plattformen der dritten Generation. Sie haben drei Schlüsselmerkmale:
- Sie verbinden mindestens drei Gruppen: Eigentümer, Mieter, Dienstleister (z. B. Handwerker, Energieberater, Hausverwaltungen).
- Sie nutzen Daten, um Prozesse zu automatisieren - wie Terminplanung für Zählerablesungen, digitale Abrechnungen oder Wartungsanfragen.
- Sie bauen Plattformen auf, die wachsen, wenn mehr Nutzer hinzukommen - nicht nur durch mehr Listings, sondern durch mehr Interaktionen.
Ein Beispiel ist facilioo, eine Plattform von ista, die heute bereits 50.000 Wohnungen in Deutschland verbindet. Sie integriert nicht nur Mietverträge, sondern auch Smart-Meter-Daten, Reparaturaufträge, Energieverbrauchsanalysen und sogar die Bezahlung von Hausgeldern. Ein Mieter kann hier nicht nur eine Wohnung finden - er kann auch sehen, wie viel Strom seine Nachbarn verbrauchen, einen Handwerker buchen und seine Hausgeldabrechnung online prüfen. Das ist kein Portal. Das ist eine Plattform.
Die Zukunft gehört diesen Systemen. Sie verändern die Immobilienwirtschaft von innen. Sie machen sie transparenter, effizienter und zugänglicher. Aber sie brauchen Zeit. Die Implementierung einer solchen Plattform dauert für ein mittelständisches Unternehmen mit 5.000 Wohnungen durchschnittlich 6 bis 9 Monate. Und die Nutzer brauchen 2 bis 6 Monate, um sie wirklich zu beherrschen. Viele scheitern nicht an der Technik, sondern an der Angst vor Veränderung.
Winner-takes-all: Wann wird es passieren?
Die große Frage ist: Wann wird sich eine Plattform durchsetzen und alle anderen verdrängen? Die Antwort: Bald - aber nicht überall.
Im Bereich digitales Immobilien-Crowdinvesting ist der Druck bereits hoch. Exporo, Bergfürst, PROPVEST, Investable - sie alle kämpfen um die gleichen Projekte. Wer die besten Daten hat, wer die geringsten Mindestbeträge bietet (manche starten bei 500 Euro), wer die einfachste App hat - der gewinnt. Hier entsteht bereits ein Winner-takes-all-Effekt. Die Nutzer wechseln nicht oft. Sie bleiben bei der Plattform, die sie zuerst vertraut haben.
Im Mietmarkt ist es komplizierter. Hier gibt es zu viele lokale Märkte. Eine Plattform, die in Berlin erfolgreich ist, funktioniert in Leipzig vielleicht nicht. Deshalb entstehen jetzt regionale Netzwerke. Immofred und Realconnex haben sich 2023 zusammengetan, um ihre Reichweite zu vergrößern. facilioo kooperiert mit ista, um ein offenes System für die gesamte Branche zu bauen. Das ist der neue Weg: Nicht allein dominieren, sondern zusammenarbeiten, um größer zu werden.
Experten vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) prognostizieren: Bis 2025 wird sich der Markt verdichten. Dann werden höchstens drei bis fünf Plattformen über 20 Prozent Marktanteil haben - und der Rest wird kämpfen. Die großen Immobilienkonzerne (mit mehr als 10.000 Wohnungen) nutzen schon heute Plattformen zu 82 Prozent. Bei kleinen Vermietern sind es nur 28 Prozent. Wer jetzt nicht digitalisiert, wird in fünf Jahren nur noch als Anbieter von „alten“ Wohnungen wahrgenommen - mit höheren Kosten, schlechterer Auslastung und weniger Mietern.
Was Nutzer wirklich denken
Die Erfahrungen mit diesen Plattformen sind gemischt. Auf Trustpilot hat Exporo eine durchschnittliche Bewertung von 4,3 von 5 Sternen. Nutzer loben die einfache Bedienung und die niedrigen Investitionssummen. Aber sie kritisieren: „Die Projekte sind immer die gleichen. Es gibt kaum neue oder regionale Angebote.“
Bei facilioo ist die Bewertung 4,1 Sternen. Nutzer schätzen die Integration von Dienstleistern - aber ältere Mieter stoßen an ihre Grenzen. „Ich verstehe die App nicht“, sagt eine 72-Jährige aus Köln. „Ich brauche jemanden, der mir alles erklärt. Aber die Hotline ist oft besetzt.“
Professionelle Makler berichten auf Immobilienscout24, dass die Plattformgebühren in den letzten fünf Jahren um 35 Prozent gestiegen sind. „Für kleine Makler wird es unmöglich“, sagt ein Makler aus Hamburg. „Ich zahle mehr für die Anzeige als ich an Provision verdiene.“
Und dann ist da noch WeWork. Die Plattform, die einst als „Co-Working-Revolution“ gefeiert wurde, verlor nach ihrem Börsengang 2019 über 80 Prozent ihres Wertes. Nutzer auf Reddit fragen: „Ist das ein Zeichen dafür, dass Plattformen im Immobilienmarkt nur eine Blase sind?“ Die Antwort: Nein. WeWork hat ein Geschäftsmodell verfolgt, das auf Mietpreis-Subventionen und Wachstum um jeden Preis basierte - nicht auf echten Netzwerkeffekten. Das ist kein Modell der Plattformökonomie. Das ist ein klassischer Startup-Fehler.
Was jetzt wichtig ist
Die Plattformökonomie im Immobilienmarkt ist kein Trend. Sie ist eine neue Realität. Die Frage ist nicht, ob sie kommt - sondern wer sie beherrscht.
Wer jetzt handelt, hat die Chance, mitzuschreiben, wie die Zukunft aussieht:
- Eigentümer: Nutzen Sie Plattformen, die nicht nur vermieten, sondern auch Wartung, Energie und Abrechnung vereinheitlichen. Sie sparen Zeit und Geld.
- Investoren: Konzentrieren Sie sich auf Plattformen mit klaren Daten, transparenten Risiken und echten Netzwerkeffekten. Nicht auf die mit den schönsten Grafiken.
- Dienstleister: Wer sich nicht in Plattformen integrieren lässt, wird überflüssig. Handwerker, Energieberater, Hausverwalter - sie alle müssen Teil des Ökosystems werden.
- Regulierer: Die DSGVO und das Maklerrecht müssen sich an die digitale Realität anpassen. Sonst blockieren sie Innovationen, die für Mieter und Eigentümer nützlich sind.
Die Zukunft gehört nicht den größten Immobilienfirmen. Sie gehört den Plattformen, die echte Verbindungen schaffen - zwischen Menschen, Daten und Prozessen. Wer das versteht, wird gewinnen. Wer wartet, wird überrollt.
Kommentare
jens lozano November 1, 2025
Die meisten Plattformen sind doch nur digitale Anzeigenblätter mit mehr CSS und weniger Herz
Ich hab neulich bei einer so genannten 'Plattform' nach einer Wohnung gesucht und bekam 17 Mal dieselbe Immobilie angezeigt – nur mit anderen Lichtverhältnissen
Und dann noch ein 'Smart-Home-System' das nicht mal die Heizung anmacht wenn du es willst
Das ist keine Revolution das ist ein schlechter Netflix-Algorithmus mit Mietvertrag
Mylander Plattner November 1, 2025
Es ist unzulässig, den Begriff 'Plattformökonomie' in diesem Kontext so unreflektiert zu verwenden. Gemäß der Definition von Jean Tirole und Rochet (2003) erfordert eine echte Plattform mindestens zwei heterogene Nutzergruppen mit direkten Netzwerkeffekten, die durch eine zentrale Institution koordiniert werden. Die hier zitierten Beispiele erfüllen diese Kriterien nicht. Facilioo etwa aggregiert lediglich Dienstleistungen – kein transaktionaler Austausch zwischen Nutzern erfolgt. Es handelt sich somit um ein CRM-System, nicht um eine Plattform. Die Verwendung des Begriffs ist irreführend und wissenschaftlich ungenau. Dieser Trend zur semantischen Aufblähung ist bedenklich.
Tobias Bordenca November 2, 2025
Das ist doch alles nur eine große, teure Illusion...! Die echten Gewinner sind doch diejenigen, die die Daten sammeln...! Nicht die Mieter...! Nicht die Handwerker...! Sondern diejenigen, die die Algorithmen schreiben...! Und die sind doch alle in Berlin oder Palo Alto...! Warum glaubt ihr, dass das irgendjemandem außer den Investoren nützt...? Die Mietpreise steigen weiter...! Die Alten werden ausgeschlossen...! Und ihr feiert das als 'Innovation'...! Das ist doch krank...!
Nadine Jocaitis November 3, 2025
Ich find’s echt cool, dass endlich was passiert – auch wenn’s langsam ist
Ich hab vor drei Monaten meine Wohnung über eine Plattform vermietet und seitdem klappt alles mit den Reparaturen, der Abrechnung und sogar der Energieanalyse – ohne dass ich ständig anrufen muss
Meine Mutter hat erst gedacht, das ist zu kompliziert – aber ich hab’s ihr in 10 Minuten gezeigt und jetzt checkt sie die App besser als ich
Es braucht nur ein bisschen Geduld und jemanden, der hilft – dann wird’s echt leicht
Nadja Senoucci November 3, 2025
facilioo funktioniert. ich nutz es. kein stress mehr mit handwerkern.