Warum Schimmelschaden mehr als ein ästhetisches Problem ist
Ein schwarzer Fleck an der Wand - das sieht unschön aus, aber es ist nicht nur ein Ärgernis. Schimmelpilze sind ein ernstes Gesundheitsrisiko. Laut dem Umweltbundesamt verursachen sie jedes Jahr rund 150.000 Atemwegserkrankungen in Deutschland. Bei empfindlichen Menschen - Kindern, Senioren oder Allergikern - reichen schon 500 koloniebildende Einheiten pro Kubikmeter Luft (KBE/m³), um Husten, Niesen, Atembeschwerden oder sogar Asthmaanfälle auszulösen. In extremen Fällen, wie bei jahrelangem, unbehandeltem Befall, steigen die Werte auf bis zu 50.000 KBE/m³. Das ist kein Zufall, sondern die Folge von feuchten Wänden, schlechter Lüftung oder undichten Fenstern. Wer nach einem Schimmelschaden wieder gesund wohnen will, muss mehr tun als nur abwischen. Es braucht eine gründliche Sanierung - und vor allem: eine professionelle Freimessung.
Was passiert bei einer echten Schimmelsanierung?
Die meisten Menschen denken, dass sie Schimmel mit Essig oder Spülmittel loswerden können. Das funktioniert manchmal bei winzigen Flecken - aber bei größeren Befällen ist das gefährlich und ineffektiv. Laut der Deutschen Gesellschaft für Schimmelsanierung (DGS) ist eine echte Sanierung ein vierstufiger Prozess, der seit 2021 durch die VDI 6022:2021-08 standardisiert ist.
- Materialentfernung: Betroffene Putzschichten, Tapeten, Dämmung oder Holz werden vollständig entfernt - bis auf den unbelasteten Untergrund. Wichtig: Vor dem Abschaben wird die Fläche mit 70-prozentigem Ethylalkohol angefeuchtet, um Sporen nicht in die Luft zu wirbeln.
- Desinfektion und Trocknung: Der freigelegte Untergrund wird mit speziellen, chlorfreien oder chlorhaltigen Mitteln behandelt, je nach Raum (z. B. chlorfrei im Kinderzimmer). Danach folgt die Trocknung mit professionellen Bautrocknern, die mindestens vier Luftwechsel pro Stunde schaffen. Bei Putzflächen dauert das mindestens 72 Stunden, bei Holz bis zu 14 Tage.
- Feinreinigung: Alle Oberflächen, auch Elektroinstallationen, Heizkörper und Fensterrahmen, werden gründlich abgesaugt und gereinigt. Staubsauger mit HEPA-Filter sind Pflicht.
- Freimessung: Nur jetzt, nach Trocknung und Reinigung, wird geprüft, ob der Schimmel wirklich weg ist - und ob die Luft wieder sicher ist.
Bei Befallflächen größer als 0,4 Quadratmeter ist Eigenreinigung laut der Deutschen Baubiologischen Gesellschaft (IBN) nicht mehr sicher. Hier braucht es Fachleute mit FFP3-Masken, Schutzanzügen und speziellen Geräten - sonst verbreiten Sie den Schimmel nur weiter.
Freimessung: Der entscheidende Schritt, den fast jeder ignoriert
Die meisten Sanierungen scheitern nicht an der Reinigung, sondern an der fehlenden Freimessung. Eine optische Kontrolle - „es sieht ja jetzt sauber aus“ - ist kein Nachweis. Nach der VDI 4300-15:2021 muss die Freimessung von einem unabhängigen, akkreditierten Gutachter durchgeführt werden. Das bedeutet: Kein Sanierer darf selbst messen. Es muss ein Dritter kommen.
Die Messung umfasst mindestens drei Luftproben pro Raum, jeweils mit 500 Litern Luftvolumen. Zusätzlich werden Oberflächenabstriche von Wänden, Fensterbänken und anderen Flächen genommen. Die Labore analysieren, ob noch Sporen von Aspergillus oder Penicillium vorhanden sind - die häufigsten Schimmelpilzarten in Wohnräumen. Der Grenzwert für Innenräume liegt bei maximal 1.000 KBE/m³. Darüber ist die Luft nicht gesundheitlich unbedenklich.
Einige Firmen bieten nur eine „Schein-Freimessung“ an: Sie zeigen Ihnen ein Bild vom Messgerät und sagen, alles sei in Ordnung. Das ist Betrug. Laut der Verbraucherzentrale wissen 74 % der Mieter nicht, dass die Freimessung unabhängig sein muss. Und das ist der größte Fehler: Wer ohne echte Messung wieder einzieht, riskiert, dass der Schimmel nach drei bis sechs Monaten zurückkommt - oft noch schlimmer als zuvor.
Warum Eigenreinigung oft teurer ist als eine Profi-Sanierung
Einige Leute glauben, sie sparen Geld, wenn sie selbst rangehen. Aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Eine Studie des Instituts für Baubiologie zeigt: Haushaltsmittel wie Essig oder Brennspiritus sind bei größeren Befällen nur zu 35 % effektiv. Professionelle Sanierer mit speziellen Mitteln erreichen 92 % Erfolgsquote.
Und das ist das Schlimme: Wenn Sie falsch reinigen, wird der Schimmel nicht weg - er wird tiefer in die Wand wandern. Die Ursache bleibt unberührt: eine Kältebrücke, ein Undichtigkeit, fehlende Dämmung. In 68 % der Fälle kommt der Schimmel innerhalb von 12 Monaten zurück - und dann muss alles nochmal gemacht werden. Die Folgekosten liegen bei bis zu 1.200 Euro pro Quadratmeter, weil nun auch die Untergründe beschädigt sind.
Die Kosten für eine professionelle Sanierung liegen zwischen 50 und 150 Euro pro Quadratmeter - je nach Schwere und Raumgröße. Die Freimessung kostet zusätzlich 150 bis 300 Euro pro Raum. Klingt viel? Vergleichen Sie das mit dem Preis einer erneuten Sanierung, mit Arztbesuchen wegen Atemproblemen oder mit dem Wertverlust Ihrer Wohnung. Wer jetzt spart, zahlt später doppelt.
Was Sie vor, während und nach der Sanierung tun müssen
Die Sanierung ist kein Einmal-Event. Sie braucht Planung und Nachsorge.
- Vorher: Lassen Sie die Ursache analysieren - mit Thermografie oder Feuchtemessung. Meistens ist es kein „falsches Lüften“, sondern ein baulicher Fehler: Risse im Mauerwerk (35 % der Fälle), falsche Dämmung (28 %) oder undichte Fenster (22 %).
- During: Verlassen Sie die Wohnung während der Trocknungsphase. Die Luft ist mit Sporen belastet. Halten Sie Kinder und Tiere fern. Sorgen Sie für einen separaten Abfallcontainer für kontaminierte Materialien.
- Nachher: Warten Sie mindestens 48 Stunden, bevor Sie streichen oder tapezieren. Die Wand muss vollständig trocken sein. Nutzen Sie diffusionsoffene Farben - keine Folien- oder Vinyltapeten. Lüften Sie jetzt richtig: 3-4 Mal täglich 10 Minuten querlüften, nicht nur kippen.
Ein weiterer häufiger Fehler: Die Elektroinstallation im befallenen Bereich wird nicht geprüft. Schimmel kann Kabelummantelungen zerstören. Ein Elektriker sollte vor dem Streichen prüfen, ob Steckdosen und Leitungen sicher sind.
Die Zukunft: Mehr Regeln, mehr Sicherheit
Seit Januar 2024 gilt die neue VDI 6022-10:2023-09. Sie verschärft die Anforderungen - besonders bei der Trocknung. Die Luftwechselrate muss jetzt mindestens 4-fach pro Stunde betragen, nicht mehr 2-fach. Das ist eine klare Reaktion auf die steigenden Schimmelschäden durch falsch gedämmte Häuser. Seit 2018 ist die Zahl der Schäden durch Dämmfehler um 23 % gestiegen - die EnEV 2020 hat mehr Energieeinsparung gefordert, aber nicht immer die Feuchtigkeitskontrolle mitgedacht.
Die Bundesregierung fördert jetzt eine Aufklärungskampagne mit 2,5 Millionen Euro. Ziel: Jeder Deutsche soll wissen, dass Schimmel kein „normaler“ Schmutz ist. Bis 2026 wird der Anteil der Sanierungen mit echter Freimessung von 65 % auf 88 % steigen. Das ist gut. Denn: Der Klimawandel macht es schlimmer. Studien des Potsdam-Instituts prognostizieren bis 2030 einen Anstieg der Schimmelschäden um 18 % - durch höhere Luftfeuchtigkeit und häufigere Starkregen.
Die Lösung ist klar: Wer nach einem Schimmelschaden wieder gesund wohnen will, braucht keine Hausmittel. Er braucht Fachleute, Messungen und eine dauerhafte Lösung - nicht nur eine schnelle Verschönerung.
Kommentare
Sidsel Kvitvik Oktober 31, 2025
Ich hab letztes Jahr auch Schimmel im Bad und dachte, Essig hilft. War ein Fehler. Nach 3 Monaten war alles wieder da. Jetzt hab ich nen Profi gerufen – und echt, die Freimessung hat mich gerettet. Endlich wieder atmen können. 🙏
isabell nilsson November 1, 2025
Leute das ist doch alles nur Angstmacherei von der Baubranche. Wer richtig lüftet braucht keine 150 Euro pro Quadratmeter. Ich hab in 30 Jahren nie was gemacht und kein Asthma. Die VDI ist doch nur ein Vorschlag. Und wer glaubt das mit den 50.000 KBE/m³? Das ist Fake News vom Umweltbundesamt
Achim Schulz November 1, 2025
Ach ja, natürlich. Einfach Profis rufen und Geld verbrennen. 🤡
Ich hab mein Zimmer mit einer alten Handstaubsauger und Zitronensäure gereinigt. Und weißt du was? Die Wand atmet noch. Die modernen Sanierer sind doch nur eine neue Form von Wellness-Kapitalismus. Schimmel ist Natur. Wir sollten lernen, mit ihr zu leben. 🌿
Bernd Sold November 2, 2025
Es ist traurig, wie sehr wir uns von der Natur entfremdet haben. Schimmel ist kein Feind – er ist ein Bote. Ein Zeichen, dass wir zu viel kontrollieren wollen. Die Wand weint, weil wir sie nicht mehr lieben. Die Messgeräte, die Fachleute, die VDI-Normen – das ist alles nur eine Flucht vor der eigenen Verletzlichkeit. Ich hab nach meiner Sanierung einen Baum gepflanzt. Er trägt jetzt Blätter. Und ich? Ich atme wieder. 🌱
Camilla Kalsås Karlsen November 2, 2025
Ich hab das gleiche erlebt. Meine Mutter hat selbst gemacht – und dann hat sie 2 Jahre lang Husten. Jetzt ist sie im Krankenhaus. Kein Spaß. Einfach Profis ranlassen. Punkt.