Küchenanpassung barrierefrei: Arbeitshöhen und Auszüge richtig planen

Küchenanpassung barrierefrei: Arbeitshöhen und Auszüge richtig planen
Wohnen & Einrichten Lynn Roberts 16 Nov 2025 0 Kommentare

Warum die richtige Arbeitshöhe in der Küche lebenswichtig ist

Stell dir vor, du kannst nicht mehr zum Herd greifen. Nicht, weil du faul bist, sondern weil deine Arme nicht mehr reichen. Oder weil du im Rollstuhl sitzt und dein Bein nicht unter die Arbeitsplatte passt. Das ist keine Theorie - das ist Alltag für Millionen Menschen in Deutschland. Laut dem Statistischen Bundesamt lebten 2022 über 7,6 Millionen Menschen mit schwerer Behinderung hierzulande. Viele von ihnen wollen weiterhin selbst kochen. Doch dafür braucht es mehr als gute Rezepte. Es braucht eine Küche, die sich an sie anpasst - nicht umgekehrt.

Die Lösung liegt nicht in einem zusätzlichen Sitzplatz neben dem Herd, sondern in der richtigen Arbeitshöhe. Die Norm DIN 18040-2, die zuletzt 2020 überarbeitet wurde, sagt klar: Für Rollstuhlfahrer ist 82 Zentimeter die ideale Höhe. Nicht 85. Nicht 80. Achtundzwanzig Zentimeter. Genau so hoch wie die Oberkante der Sitzfläche eines Standardrollstuhls. Alles darüber - und du musst dich nach vorne lehnen, bis du fast umkippst. Alles darunter - und du schlägst mit den Knien gegen die Unterschrankfront.

Das Problem? Viele Hersteller geben 82 cm als Richtwert an, aber vergessen die Beinfreiheit. Und die ist entscheidend. Mindestens 67 Zentimeter müssen unter der Arbeitsplatte frei sein. Experten wie das Planungsbüro Nullbarriere empfehlen sogar 69 cm, damit auch dicke Rollstuhlsitze oder Beinorthesen Platz haben. Wer das ignoriert, baut eine Küche, die optisch barrierefrei wirkt - aber in der Praxis nutzlos ist.

Teleskopauszüge: Die unsichtbare Revolution in der Küche

Ein Schrank, den du öffnen musst, um an Töpfe, Gewürze oder Teller zu kommen - das ist für jemanden im Rollstuhl eine Herausforderung. Der Arm reicht nicht weit genug. Der Blick auf die Innenwände ist verdeckt. Und wenn du etwas herausholen willst, musst du dich weit nach vorne beugen. Ein gefährliches Manöver.

Teleskopauszüge ändern das komplett. Sie schieben die gesamte Schublade bis zu 30 Zentimeter nach vorne. Das ist kein Luxus - das ist eine Notwendigkeit. Marken wie Blum mit ihrer Tandembox-Serie oder Hettich mit Quadro liefern Systeme, die bis zu 50 Kilo tragen und glatt wie Öl laufen. Eine einzelne Schublade kostet zwischen 150 und 300 Euro - doppelt so viel wie ein normaler Auszug. Aber was bringt das? Eine Studie der Technischen Hochschule Darmstadt zeigt: Nutzer mit eingeschränkter Mobilität greifen 78 % häufiger auf Schubladen zurück als auf Schranktüren. Warum? Weil sie alles sehen und erreichen können - ohne Hilfe.

Ein Nutzer namens 'RollstuhlKoch' schreibt auf Reddit: „Die Teleskopauszüge von Blum sind das Beste, was mir passieren konnte. Ich kann jetzt alle Utensilien selbst erreichen, ohne um Hilfe bitten zu müssen.“ Das ist kein Marketing-Text. Das ist Lebensqualität.

Elektrisch höhenverstellbare Arbeitsplatten: Die Zukunft ist keine Option - sie ist Pflicht

Was, wenn du heute noch laufen kannst, aber in zwei Jahren nicht mehr? Oder wenn deine Partnerin mit MS im Rollstuhl sitzt - und du willst, dass sie weiterhin kocht? Dann brauchst du keine feste Höhe. Du brauchst eine, die sich anpasst.

Höhenverstellbare Arbeitsplatten sind kein Trend. Sie sind die einzige Lösung, die langfristig funktioniert. Systeme von Husfeldt oder Hummel nutzen elektrische Motoren wie den Linak DL10, der bis zu 100 Kilo stemmt. Die Platte lässt sich zwischen 70 und 110 Zentimeter verstellen - mit einem Knopfdruck. Für die Waschspüle 82 cm, für das Kochfeld 85 cm, für das Schneiden 90 cm. Für deine Tochter, die gerade in die Küche kommt, 100 cm. Die Flexibilität ist atemberaubend.

Die Kosten? 2.500 bis 5.000 Euro zusätzlich. Ein großer Betrag. Aber denk mal an die Alternative: Eine Küche, die in fünf Jahren unbrauchbar ist. Eine Studie der TH Darmstadt hat berechnet: Höhenverstellbare Arbeitsplatten verlängern die Nutzungsdauer einer Küche um durchschnittlich 15 Jahre. Das ist keine Investition - das ist eine Absicherung.

Höhenverstellbare Arbeitsplatte in Bewegung, umgeben von verschiedenen Nutzern in schwebenden Wellenmustern.

Die falsche Planung: Wo die meisten scheitern

Es gibt drei Fehler, die fast jeder macht, der zum ersten Mal eine barrierefreie Küche plant.

  1. Zu wenig Bewegungsfläche: Die Norm sagt 150 × 150 Zentimeter. Das ist der Platz, den ein Rollstuhl braucht, um sich zu drehen. Viele Planer schaffen nur 140 × 140. Das klingt nach wenig, aber in der Praxis heißt das: Du kannst nicht mehr von Spüle zu Herd wechseln, ohne zu kippen.
  2. Beinfreiheit vergessen: Der Herd steht zu nah an der Wand. Die Spüle hat einen Unterschrank mit zu hohem Rand. Die Beinfreiheit ist unter 67 cm. Resultat: Du kannst nicht an den Herd ran. Du kannst nicht spülen. Du sitzt da - und kannst nichts tun.
  3. Elektrogeräte an der falschen Stelle: Der Toaster steht auf der Arbeitsplatte, aber 10 Zentimeter zu weit hinten. Du musst ihn mit beiden Händen greifen, weil du nicht reichst. Die Lösung? Alles zwischen 40 und 140 cm Höhe platzieren. Das ist die Reichweite, die ein Rollstuhlfahrer ohne Hilfsmittel erreicht.

Küchenplaner Stefan Wagner, Gewinner des „Barrierefreie Küche“-Preises 2022, sagt: „Die meisten Fehler passieren nicht beim Kauf, sondern bei der Planung.“ Und das ist der Punkt, an dem du professionelle Hilfe brauchst. Der Verband der Küchenplaner (VDKP) bietet seit 2023 eine 40-stündige Weiterbildung zum „Geprüften barrierefreien Küchenplaner“ an. 287 Fachleute haben sie bislang absolviert. Frag nach ihnen.

Was kostet eine barrierefreie Küche - und lohnt es sich?

Die Zahlen klingen erschreckend: 12.000 bis 25.000 Euro für eine komplett barrierefreie Küche. Die höhenverstellbare Arbeitsplatte allein kostet bis zu 5.000 Euro. Teleskopauszüge addieren 200 Euro pro Schublade. Und das ist nur die Materialkosten.

Aber vergleiche das mit dem Wert, den du gewinnst. Eine Studie des Deutschen Seniorenrates zeigt: 65 % der Nutzer bevorzugen Schubladen gegenüber Schranktüren - einfach, weil sie mehr Kontrolle haben. Und 78 % bewerten die elektrische Verstellung als „sehr wichtig“. Das ist nicht nur Komfort. Das ist Selbstbestimmung.

Und dann gibt es noch die Förderung. Seit Januar 2024 zahlt die KfW-Bankengruppe bis zu 6.500 Euro Zuschuss für barrierefreie Küchenumbauten - unter dem Programm „Altersgerecht Umbauen“. Das reduziert die Netto-Kosten um mehr als ein Drittel. Du zahlst nicht 20.000 Euro. Du zahlst 13.500. Und bekommst eine Küche, die dir 20 Jahre lang das Leben leichter macht.

Barrierefreie Küchenplanung mit gedrehtem Bewegungsraum und freier Beinfreiheit in psychedelischem Stil.

Der Markt wächst - und die Technik wird besser

2023 haben die Deutschen 487 Millionen Euro in barrierefreie Küchen investiert - ein Anstieg von 8,7 % gegenüber 2022. Der Markt wächst, weil die Bevölkerung älter wird. Bis 2040 wird fast jeder dritte Deutsche über 65 sein. Und die Technik folgt: Der neue Linak DL15-Motor ist 35 % energieeffizienter. Die AMK hat eine 3D-Planungssoftware vorgestellt, die deine Körpermaße scannt und automatisch die perfekte Höhe berechnet. Und die DIN arbeitet an einer neuen Fassung der Norm 18040-2, die Smart-Home-Funktionen wie Sprachsteuerung der Arbeitsplatte integrieren wird.

Die Zukunft der Küche ist nicht mehr nur schön. Sie ist intelligent. Sie ist anpassbar. Und sie ist für alle da - egal, ob du gehst, stehst oder sitzt.

Was du jetzt tun kannst

Wenn du eine Küche planst - egal ob für dich, deine Eltern oder einen Angehörigen - beginne mit diesen fünf Schritten:

  1. Miss die Sitzhöhe des Nutzers genau - vom Boden bis zur Oberkante des Sitzes.
  2. Prüfe, wie viel Platz du hast: Mindestens 150 × 150 cm für Drehbewegungen.
  3. Setze die Arbeitshöhe auf 82 cm - und prüfe, ob darunter mindestens 67 cm Beinfreiheit sind.
  4. Verwende nur Teleskopauszüge - keine normalen Schubladen.
  5. Frage nach einem geprüften barrierefreien Küchenplaner - und lass dich nicht von Standardangeboten überzeugen.

Es geht nicht darum, die teuerste Küche zu bauen. Es geht darum, die richtige zu bauen. Eine, die dich oder deine Liebsten nicht einschränkt - sondern befreit.