Stell dir vor, du willst deine Wände neu streichen. Du gehst in den Baumarkt, stehst vor den Regalen mit Dutzenden von Farben - und fragst dich: Welche ist wirklich die bessere Wahl? Nicht nur für deine Wohnung, sondern auch für deine Gesundheit und die Umwelt. Die Antwort liegt nicht in der Farbe, sondern in der Chemie dahinter: Wasserbasis oder Lösemittel? Dieser Unterschied entscheidet, ob du in einem Raum atmest, der nach Chemie riecht, oder in einem, der fast geruchlos ist. Und das hat weitreichende Folgen.
Was unterscheidet Wasserbasis-Lacke von lösemittelhaltigen?
Wasserbasis-Lacke nutzen Wasser als Hauptverdünnungsmittel. Mehr als 80 Prozent der Flüssigkeit in diesen Produkten ist einfach H2O. Die Farbpigmente und Harze sind darin gelöst oder dispergiert. Wenn du streichst, verdunstet das Wasser - und der Lack härtet aus. Keine giftigen Dämpfe, keine starken Gerüche. Einfach und klar.
Lösemittelhaltige Lacke hingegen arbeiten mit organischen Chemikalien wie Aceton, Xylol oder Mineralöl. Diese Lösungsmittel sind flüchtig, stark riechend und halten die Farbstoffe flüssig, bis sie verdunsten. Erst dann bildet sich der harte Film. Das klingt nach Effizienz - und ist es auch, aber mit hohen Kosten für Luft und Körper.
Die technischen Unterschiede sind messbar: Wasserbasis-Lacke emittieren typischerweise 30 bis 50 Gramm flüchtige organische Verbindungen (VOC) pro Liter. Lösemittel-Lacke kommen auf 150 bis 500 Gramm pro Liter. Das ist bis zu acht Mal mehr. Die EU hat seit 2004 schrittweise Grenzwerte gesenkt - von 400 g/l auf heute 130 g/l für Innenanstriche. Und bis 2030 soll es nur noch 50 g/l sein. Wer heute noch lösemittelhaltige Produkte wählt, arbeitet gegen den Trend - und gegen die Gesetze.
Warum ist die Luftqualität so wichtig?
Wenn du lackierst, atmest du die Dämpfe ein - sogar wenn du nicht direkt daneben stehst. Die VOC aus lösemittelhaltigen Lacken gelangen in deine Lunge, dann in dein Blut. Langfristige Exposition kann Kopfschmerzen, Schwindel, Reizungen von Augen und Atemwegen verursachen. Bei starker oder wiederholter Belastung können Aromaten wie Benzol oder Toluol sogar neurologische Beschwerden auslösen. Die DGUV hat belegt: Wasserbasis-Lacke sind bis zu 70 Prozent weniger gesundheitsschädlich.
Im Kinderzimmer ist das kein kleiner Unterschied. Wasserbasierte Lacke erfüllen die DIN EN 71-3-Norm - sie sind speichel- und schweißecht. Das bedeutet: Selbst wenn dein Kind an der Wand lutscht, ist es sicher. Lösemittel-Lacke? Keine Option. Sie enthalten Chemikalien, die in Spielzeug und Möbeln verboten sind - aber noch immer in Wandfarben auftauchen.
Und was ist mit dem Geruch? Du kennst das: Nach dem Streichen riecht es nach Werkstatt. Tage lang. Wasserbasis-Lacke dagegen haben einen leichten, fast neutralen Geruch - wie nasse Wand. Du kannst am selben Tag wieder in den Raum gehen. Kein Fenster offenhalten bis zur nächsten Woche. Kein Atemschutz nötig. Keine Angst, dass deine Katze krank wird.
Umweltbilanz: Wer macht wirklich weniger Schaden?
Die Umwelt zahlt einen hohen Preis für lösemittelhaltige Lacke. VOCs tragen zur Bildung von Boden-Ozon bei - einem Schadstoff, der Pflanzen schädigt und das Klima beeinflusst. Sie entweichen nicht nur beim Streichen, sondern auch, wenn die Dose steht, die Wand trocknet oder die alte Farbe entsorgt wird.
Wasserbasis-Lacke emittieren bis zu 80 Prozent weniger VOCs. Das reduziert die Luftbelastung direkt vor Ort - und weltweit. Die Entsorgung ist einfacher: Alte Dosen mit Wasserlack kannst du im Hausmüll entsorgen, wenn sie leer sind. Lösemittel-Lacke gelten als Sondermüll. Du musst sie zur Giftmüll-Station bringen. Und selbst dann: Die Rückstände im Abwasser, die Reste in den Pinseln, die Reinigungsmittel - alles belastet die Gewässer.
Ein weiterer Punkt: Die Herstellung. Wasserbasis-Lacke benötigen weniger Energie, weil sie bei niedrigeren Temperaturen verarbeitet werden können. Lösemittel müssen aus Erdöl gewonnen werden - ein Prozess, der CO2 freisetzt und Ressourcen verbraucht. Wer wasserbasierte Produkte wählt, wählt eine Kreislaufwirtschaft - nicht eine Wegwerfchemie.
Praktische Vorteile: Wer arbeitet leichter?
Die Reinigung ist ein großer Unterschied. Bei Wasserbasis-Lacken: Pinsel, Rolle, Eimer - einfach mit Wasser ausspülen. Fertig. Keine Lösungsmittel, keine teuren Verdünner, keine gefährlichen Chemikalien im Keller. Bei lösemittelhaltigen Lacken? Du brauchst spezielle Reiniger. Die riechen genauso schlecht wie der Lack selbst. Und du musst sie aufbewahren, transportieren, entsorgen.
Die Trocknungszeit ist ein weiterer Vorteil. Wasserbasis-Lacke trocknen in 2 bis 4 Stunden. Du kannst nach einem Tag bereits den zweiten Anstrich auftragen. Lösemittel-Lacke brauchen 8 bis 12 Stunden - manchmal länger bei hoher Luftfeuchtigkeit. Das bedeutet: mehr Zeit, mehr Kosten, mehr Unterbrechungen.
Und die Anwendung? In Innenräumen ist Wasserbasis die klare Wahl. Fast alle Maler setzen heute in Wohnungen, Büros oder Schulen auf Wasserlacke. Die DGNB-Zertifizierung für nachhaltiges Bauen fordert sie sogar explizit. In öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Kitas - überall wo Menschen leben, arbeiten, sich erholen, ist Wasserbasis Standard.
Wann lohnen sich lösemittelhaltige Lacke noch?
Nein, Wasserbasis ist nicht immer die perfekte Lösung. Es gibt Situationen, in denen lösemittelhaltige Lacke noch ihre Vorteile zeigen.
Bei Holz mit Harzausblühungen: Wasserbasis-Lacke können diese nicht vollständig abdecken. Die Harze schwimmen durch den Lack - und hinterlassen Flecken. Lösemittel lösen das Harz und binden es besser. Das ist besonders bei alten Holzterrassen, Dachbalken oder alten Türen wichtig.
Bei extremen Wetterbedingungen: Unter 10°C oder über 30°C trocknen Wasserbasis-Lacke schlecht. Bei Luftfeuchtigkeit über 80 Prozent kann es zu Blasenbildung oder schlechter Haftung kommen. Lösemittel-Lacke sind in diesen Fällen robuster - deshalb dominieren sie noch immer im Außenbereich: Fassaden, Tore, Metallkonstruktionen.
Auch bei sehr hohen mechanischen Belastungen - wie in Industriehallen, Werkstätten oder Garagen - sind lösemittelhaltige Lacke oft langlebiger. Sie bilden härtere, widerstandsfähigere Filme. Aber: Die Technik hat sich weiterentwickelt. Heutige Hochleistungs-Wasserlacke mit Acryl- oder Polyurethan-Harzen schließen diese Lücke immer mehr. Die Caparol-Gruppe und andere Hersteller bieten heute Produkte an, die selbst in Werkstätten halten - ohne Lösungsmittel.
Die Zukunft: Wasserbasis ist der Standard
Der Markt spricht eine klare Sprache. In Deutschland stieg der Anteil wasserbasierter Lacke für Bauwerksbeschichtungen von 35 Prozent im Jahr 2010 auf 68 Prozent im Jahr 2022. Lösemittel-Lacke sind von 65 auf 32 Prozent gesunken. Und das ist erst der Anfang. Die EU plant bis 2030 eine weitere Senkung der VOC-Grenzwerte auf 50 g/l. Dann wird es für lösemittelhaltige Lacke fast unmöglich sein, die Vorschriften zu erfüllen.
Die Industrie reagiert. Hersteller wie Sikkens, Caparol oder Remmers entwickeln neue Formulierungen: wasserbasierte Systeme mit höherer Härte, besserer Haftung, höherer Beständigkeit. Hybridlösungen entstehen - wasserbasierte Lacke mit geringen Anteilen an umweltfreundlichen Lösungsmitteln, die die Vorteile beider Welten vereinen.
Was bedeutet das für dich? Wenn du heute neu lackierst - egal ob Innen oder Außen - solltest du Wasserbasis bevorzugen. Es ist sicherer, umweltfreundlicher, einfacher und oft günstiger. Die Technik ist da. Die Gesetze sind da. Die Nachfrage ist da. Die Zukunft ist wasserbasiert.
Was du jetzt tun kannst
- Beim Kauf von Lacken immer auf das VOC-Siegel achten - und die Angabe in g/l prüfen. Nimm nur Produkte mit weniger als 50 g/l für Innenräume.
- Vermeide Lacke mit Aromaten wie Benzol, Toluol oder Xylol. Die stehen oft in der Inhaltsstoffliste - suche nach „Aromatenfrei“.
- Reinige deine Werkzeuge sofort nach dem Streichen mit Wasser - nicht mit Lösungsmitteln.
- Wenn du alte lösemittelhaltige Lacke entfernst: Trage Handschuhe, Atemschutz und lüfte gründlich. Entsorge die Dosen als Sondermüll.
- Frage bei Malern nach: „Benutzen Sie wasserbasierte Lacke?“ Wenn nein, frag nach dem Grund. Oft ist es nur Gewohnheit - nicht Notwendigkeit.
Sind wasserbasierte Lacke wirklich so haltbar wie lösemittelhaltige?
Ja, heute schon. Moderne wasserbasierte Lacke mit Acryl- oder Polyurethan-Harzen haben eine Haltbarkeit von 10 bis 15 Jahren - gleichwertig oder sogar besser als viele lösemittelhaltige Produkte. Sie sind kratzfest, widerstandsfähig gegen Feuchtigkeit und verfärben sich nicht so schnell. Ausnahmen gibt es nur bei extremen Belastungen, wie in Industriehallen oder bei direkter Witterungseinwirkung - aber auch hier entwickeln Hersteller neue Lösungen.
Kann ich wasserbasierte Lacke auch im Außenbereich verwenden?
Ja - aber mit Vorsicht. Für Fassaden, Tore oder Holzterrassen gibt es spezielle wasserbasierte Außenlacke mit UV-Schutz und erhöhter Wasserdichtigkeit. Sie sind heute technisch sehr gut. Allerdings bei starken Temperaturschwankungen oder hoher Luftfeuchtigkeit können lösemittelhaltige Lacke noch besser verarbeiten. Prüfe die Herstellerangaben: Wenn das Produkt als „Außenlack wasserbasiert“ gekennzeichnet ist, ist es für diesen Einsatz geeignet.
Warum werden lösemittelhaltige Lacke noch verkauft?
Weil sie in bestimmten Fällen noch funktionieren - und weil viele Verbraucher nicht wissen, dass es bessere Alternativen gibt. Auch alte Handwerker arbeiten oft mit dem, was sie kennen. Zudem gibt es noch einige Nischenanwendungen, wie Harzabdeckung bei Holz oder extrem belastete Metallflächen, wo sie Vorteile haben. Aber diese Fälle werden immer seltener. Die Industrie investiert nicht mehr in neue lösemittelhaltige Formulierungen - nur noch in wasserbasierte.
Ist wasserbasierte Farbe teurer?
Nicht mehr. Der Preisunterschied ist heute kaum noch messbar. Ein Liter wasserbasierter Lack kostet genauso viel wie ein lösemittelhaltiger - manchmal sogar weniger. Und du sparst bei der Reinigung, bei der Entsorgung, bei der Lüftungszeit. Wenn du beruflich malst, reduzierst du auch die Arbeitszeit - weil du nicht so lange warten musst. Langfristig ist Wasserbasis günstiger.
Was mache ich mit alten lösemittelhaltigen Lacken zu Hause?
Leere Dosen kannst du in den Restmüll geben - wenn sie komplett trocken sind. Fülle den Rest in einen verschließbaren Behälter und bringe ihn zur kommunalen Sondermüll-Annahmestelle. Nie in die Kanalisation gießen! Wenn du unsicher bist: Frag deine Gemeinde. Viele Städte bieten kostenlose Abholungen für alte Farben an. Und: Wenn du noch etwas übrig hast - gib es an Nachbarn, Tafeln oder Kunstschulen weiter. So vermeidest du Abfall.
Kommentare
Patrick Mullen November 2, 2025
Endlich mal jemand der die Wahrheit sagt! Ich hab letzte Woche meine Wohnung gestrichen und dachte, ich wär verrückt, als ich nur Wasserbasis gekauft hab - aber jetzt riecht’s nach nichts, meine Katze ist nicht weggerannt, und ich hab am selben Abend noch Netflix geschaut. Lösemittel? Nein danke, das ist wie Chemiewaffen im Wohnzimmer. Die Industrie sollte endlich aufhören, Leute mit altem Mist zu verarschen.
Natascha Garcia November 2, 2025
Ich hab gestern mit meiner Oma geredet, die noch immer 'echte' Lacke benutzt, weil sie sagt: 'Das hält länger!' 🤔 Aber ich hab ihr gezeigt, wie moderne Wasserlacke sogar für Holzterrassen geeignet sind - und sie war baff! 🌿 Jetzt will sie ihren Zaun auch neu machen - mit 'dem grünen Zeug'. Ich hab ihr sogar ein Produkt empfohlen, das 15 Jahre hält. Die Zukunft ist wasserbasiert, und sie ist bunt, riecht nach Regen und lässt Katzen atmen. 🐱💙
Helga Blankenship November 3, 2025
Ich hab vor zwei Jahren einen Raum mit lösemittelhaltigem Lack gestrichen... und dann drei Wochen lang Kopfschmerzen gehabt... 😣 Ich dachte, das wäre normal... bis ich das hier gelesen hab... Ich hab jetzt alles neu gestrichen - mit Wasserbasis, und es ist so... ruhig... fast wie in einem Wald... Ich hab sogar den Pinsel mit Wasser gespült... und es war... fast... zu einfach... Ich bin verwirrt, warum ich das nicht früher getan hab... Ich hab jetzt Angst, dass ich andere Leute verletzt hab, indem ich das damals gemacht hab... Bitte, sagt es weiter... es ist so wichtig... 🙏