Was ist ein Bieterverfahren bei Immobilien?
Ein Bieterverfahren bei Immobilien ist kein Versteigerungssaal mit Hammer und Ruf, sondern ein strukturiertes, schriftliches Angebotsspiel. Der Verkäufer gibt eine Frist vor - meist drei bis sechs Wochen - und alle Interessenten müssen ihr Kaufangebot schriftlich einreichen. Kein mündliches Gebot, kein Handzeichen, keine Nervenstärke im Raum. Stattdessen: E-Mail, Formular, Unterschrift. Und dann wartet jeder ab, wer gewinnt.
Diese Methode ist nicht neu, aber sie hat sich in den letzten Jahren zur Standardstrategie in begehrten Städten entwickelt. In München, Berlin oder Frankfurt wird heute fast jedes zweite Einfamilienhaus oder jede größere Wohnung über ein Bieterverfahren verkauft. Warum? Weil sie funktioniert - wenn die Marktlage passt.
So läuft ein Bieterverfahren ab
Der Ablauf ist klar, transparent und fast wie ein Spiel mit Regeln. Hier sind die sechs Phasen, die jeder Interessent kennen sollte:
- Ankündigung: Der Makler oder Verkäufer veröffentlicht das Objekt mit klarem Hinweis: „Bieterverfahren“. Das Inserat enthält alle wichtigen Daten - Lage, Größe, Zustand, aber auch die Frist für Angebote und den Termin der Besichtigung.
- Sammelbesichtigung: Meist gibt es nur einen Tag, an dem alle Interessenten das Haus oder die Wohnung gemeinsam besichtigen. Keine Einzeltermine, kein Privatgespräch mit dem Makler. Das sorgt für Fairness.
- Gebotsabgabe: Innerhalb der Frist sendest du dein Angebot per E-Mail oder über ein Online-Portal ein. Es muss schriftlich sein, unterschrieben, und enthalten: den Kaufpreis, die Finanzierungsart, den gewünschten Bezugstermin und eventuell weitere Bedingungen.
- Auswertung: Der Verkäufer und sein Makler prüfen alle Angebote. Nicht nur der höchste Preis zählt. Die Bonität des Käufers, die Schnelligkeit der Finanzierung, die Flexibilität beim Termin - das alles wird gewichtet.
- Entscheidung: Der Verkäufer wählt das beste Angebot aus. Er muss nicht das höchste nehmen. Ein Angebot mit 5 % weniger, aber mit fester Bankzusage und 14-tägiger Frist kann besser sein als ein teureres mit unsicherer Finanzierung.
- Zuschlag und Vertrag: Der Gewinner erhält den Zuschlag. Danach folgt der Kaufvertrag, die notarielle Beurkundung und die Übergabe. Alles wie bei einem normalen Immobilienkauf - nur schneller.
Warum nutzen Verkäufer dieses Verfahren?
Der Hauptgrund ist klar: höherer Verkaufspreis. In einer Studie von KSK-Immobilien aus 2023 wurde ein Objekt in München für 1,25 Millionen Euro verkauft - obwohl der Schätzwert nur 1,1 Millionen betrug. Das ist eine Überbietung von 13,6 %. Solche Zahlen sind kein Einzelfall.
Ein weiterer Vorteil ist die Geschwindigkeit. Ein klassischer Verkauf kann drei bis sechs Monate dauern. Ein Bieterverfahren schafft es oft in vier Wochen. Der Makler hat klare Fristen, die Interessenten wissen: Wenn ich nicht jetzt biete, verpasse ich es.
Und dann ist da noch die Transparenz. Alle sehen die gleichen Unterlagen, alle haben die gleiche Chance, alle bieten anonym. Es gibt keine „Freunde des Maklers“, keine Vorteile für denjenigen, der zuerst kommt. Das beruhigt - zumindest auf dem Papier.
Was ist der große Nachteil?
Das Bieterverfahren funktioniert nur, wenn die Nachfrage hoch ist. In Regionen mit wenig Interesse - wie ländlichen Gebieten in Mecklenburg-Vorpommern oder Teilen Sachsens - ist es sinnlos. Dort bleiben die Angebote aus, oder sie liegen unter dem Mindestpreis. Ein Fall von Kampmeyer aus 2023: Eine Immobilie mit Schätzwert von 900.000 Euro blieb unverkauft, weil alle Gebote unter 850.000 Euro lagen.
Der größte psychologische Druck liegt bei den Käufern. Du siehst, wie andere bieten. Du weißt nicht, wie hoch sie sind. Du fängst an, dich zu vergleichen. Und plötzlich gibst du mehr aus, als du dir vorgenommen hattest. Ein Nutzer auf Reddit beschreibt es so: „Ich habe 15 % über meinem Limit geboten, nur weil ich Angst hatte, es zu verpassen.“
Und dann gibt es noch die Rechtsunsicherheit. Ein Gebot ist nicht automatisch bindend. Der Verkäufer kann es ablehnen, ohne Begründung. Und wenn er es annimmt, muss er es auch halten - aber nur, wenn die Formulierung im Angebot korrekt ist. Laut § 145 BGB ist ein Angebot rechtlich bindend, wenn es klar formuliert ist. Aber viele Gebote sind vage. Das führt zu Streit.
Was muss ein Käufer wissen, bevor er bietet?
Wenn du denkst, du kannst einfach ein Angebot abgeben und hoffen, dass es reicht - dann wirst du enttäuscht. Hier sind die drei wichtigsten Regeln für Käufer:
- Kenne den Marktwert. Schaue dir vergleichbare Objekte in der Straße oder im Viertel an. Nutze Immobilienportale wie ImmobilienScout24 oder ImmoWelt. Frag nicht den Makler, was „fair“ ist - recherchiere selbst.
- Setze ein Limit - und halte dich daran. Was kannst du dir leisten? Was ist dein Maximum? Schreibe es auf. Und wenn das Angebot über diesem Limit liegt - geh einfach weg. Kein Haus ist es wert, deine finanzielle Sicherheit zu gefährden.
- Prüfe deine Finanzierung vorher. Hol dir eine schriftliche Zusage von deiner Bank. Ein Angebot mit „Ich brauche eine Hypothek“ ist wertlos. Ein Angebot mit „Bankzusage vom 10.10.2025“ ist stark.
Du solltest auch alle Unterlagen anfordern, bevor du bietest: Energieausweis, Bauschadensgutachten, Grundriss, Bebauungsplan. Wenn der Makler das nicht bereitwillig gibt - sei misstrauisch.
Wie unterscheidet sich das Bieterverfahren von einer Auktion?
Viele verwechseln das Bieterverfahren mit einer öffentlichen Auktion. Aber es ist etwas ganz anderes.
Bei einer Auktion bist du live dabei. Du hebst die Hand, du sagst laut „ich biete 800.000“. Es ist öffentlich, bindend und oft emotional. Der Zuschlag erfolgt sofort. Und wenn du gewinnst, musst du zahlen - ohne Rücktritt.
Beim Bieterverfahren ist alles privat. Du gibst dein Angebot schriftlich ab. Du weißt nicht, wer sonst geboten hat. Du kannst dich zurückziehen, bevor der Zuschlag erteilt wird. Und der Verkäufer kann das höchste Gebot ablehnen - wenn er will.
Die Auktion ist wie ein Kampf. Das Bieterverfahren ist wie ein Spiel mit Karten. Du siehst nur deine eigenen - und musst raten, was andere halten.
Wie sieht die Zukunft aus?
Die Nutzung von Bieterverfahren steigt. Seit 2020 hat sich die Anzahl in Deutschland um 45 % erhöht. In den Top-7-Städten nutzen mittlerweile über 70 % der Makler dieses Verfahren. Digitale Plattformen machen es einfacher: Angebote werden online eingereicht, Dokumente werden digital geteilt, Fristen werden automatisch erinnert.
Der Immobilienverband IVD hat 2023 Leitlinien veröffentlicht, um mehr Transparenz zu schaffen. Makler müssen jetzt klar kommunizieren: Was ist die Frist? Wie wird bewertet? Wer entscheidet? Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Aber es gibt Warnungen. Prof. Dr. Hans-Jürgen Arlt vom Deutschen Institut für Urbanistik sagt: „Das Bieterverfahren verzerrt den Marktpreis. Es schafft künstliche Knappheit.“ Er fürchtet, dass die Preise in den kommenden Jahren weiter von der Realität abweichen - und das könnte zu einem neuen Marktcrash führen.
Dennoch: 87 % der Immobilienexperten glauben, dass das Bieterverfahren bleiben wird - solange die Nachfrage hoch bleibt. Es ist kein Trend, es ist eine Antwort auf die Marktlage.
Was tun, wenn du verlierst?
Verlieren ist nicht das Ende. Es ist eine Lektion. Frag den Makler: „Warum wurde mein Angebot abgelehnt?“ Manchmal liegt es an der Finanzierung, manchmal an der Frist, manchmal einfach daran, dass jemand mehr geboten hat.
Und dann: Gehe weiter. Die nächste Immobilie kommt. Vielleicht ist sie sogar besser. Und dieses Mal weißt du, was zählt: klare Zahlen, echte Finanzierung, und das Selbstvertrauen, nicht zu viel zu zahlen.
Wann ist ein Bieterverfahren die falsche Wahl?
Wenn du eine Immobilie suchst, die nicht begehrt ist. Wenn du in einer Region lebst, wo kaum jemand bietet. Wenn du keine Zeit hast, dich mit Unterlagen zu beschäftigen. Wenn du emotional bist und Angst hast, etwas zu verpassen.
Und wenn du kein Geld hast, um ein Angebot abzugeben, das über dem Marktwert liegt - dann solltest du gar nicht erst starten. Ein Bieterverfahren ist kein Spiel für Einsteiger. Es ist eine Strategie für die, die wissen, was sie tun.